Eugen Roth: Sämtliche Menschen

Hilflosigkeiten

Denn es gibt Dinge, welche peinlich,
Für jeden Menschen, so er reinlich.
Wir wollen keinen drum verachten,
Jedoch erst wieder ihn betrachten,
Wenn er sich (wie, muss man nicht wissen)
Dem Allzumenschlichen entrissen.


Richtig und falsch

Der Mensch, indes der andere stammelt,
Sich still die Abwehrkräfte sammelt
Zur Rede, welche mild gedämpft,
Des Anderen Absicht niederkämpft.


Verdorbener Abend

Geheim vertauscht sich Zeit und Ort:
Halb ist er hier, halb ist er dort.
Und ist schon dort jetzt zu zwei Dritteln.
Er greift zu scharfen Gegenmitteln,


Geduldsprobe

Schon droht im Rinnen der Minuten
Er sich tief innen zu verluten,
da leuchten endlich in der Ferne
Die heißersehnten Lichter-Sterne.
Der Mensch, noch eben prall vor Wut,
Wird weltversöhnt und herzensgut.
Er setzt sich, aufgelöst in Schwäche.
Die Seele steigt zur Oberfläche
Und plätschtert seelig über ihn -
Bis jäh der Schaffner fragt: "Wohin?"


So ist das Leben

Auf seinem kleinen Welttheater
Mimt schließlich er den Heldenvater
Und denkt nur manchmal noch zurück
An das einst oft geprobte Stück,
Das niemals kam zur Uraufführung.


Gut gedrillt

Der Sommer braust im hohen Laub,
Der Mensch schleicht durch den Straßenstaub
Und denkt, indes er sich entfernt,
Was in der Schule er gelernt:
Dass bloßer Reichtum nicht genügt,
Indem dass oft der Schein betrügt.


Der Pfründner

Ein Mensch hat draußen nicht viel Glück.
Er zieht sich in sich selbst zurück;
Zu keinem Aufwand mehr verpflichtet,
Doch seelisch recht gut eingerichtet,
Führt er seitdem behaglich dort
Ein Innenleben mit Komfort.